M. Ott: Salzhandel in der Mitte Europas

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Titel
Salzhandel in der Mitte Europas. Raumorganisation und wirtschaftliche Aussenbeziehungen zwischen Bayern, Schwaben und der Schweiz, 1750–1815


Autor(en)
Ott, Martin
Erschienen
München 2013: C.H. Beck Verlag
Anzahl Seiten
664 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Walter Thut

Das breit angelegte Werk ist aus einer Habilitationsschrift hervorgegangen und ergänzt die Untersuchungen zu einem Raum, den Günther Beck, einer der aktivsten und profiliertesten Erforscher der europäischen Salzgeschichte, und andere früher bereits bearbeitet haben. Es ergänzt aber nicht nur, es stellt auch neue Fragen.

Das umfangreiche Literaturverzeichnis versammelt alles, was Rang und Namen hat in der Geschichte zum Salz, allerdings auch deshalb, weil zum einen sämtliche Artikel oder Buchausgaben, die in verschiedenen Sprachen erschienen sind, aufgeführt sind und es zum andern Artikel erwähnt, die nicht wirklich ergiebig sind. Kenner der schweizerischen Salzgeschichte entdecken trotz der Fülle an Titeln kaum Neues.

Das Quellenverzeichnis nennt Material aus diversen süddeutschen Städten mit Hauptgewicht auf Bayern und dort wiederum München, aber auch aus Städten benachbarter Räume wie Innsbruck oder Karlsruhe. Gewisse Fragen wurden mit Quellen aus den Archiven in Wien, Berlin und Paris geklärt. Aus der Eidgenossenschaft werden die Staats- oder Landesarchive aus 14 (zählt man die Halbkantone einzeln mit, sind es 16) der 19 Orte genannt, die vor 1815 existierten. Allein Graubünden, Uri und das Tessin fehlen hier. Eine Erklärung dazu gibt es nicht, ausgenommen für Uri. Das ist umso erstaunlicher, als im Text dann die genannten Stände trotzdem dargestellt werden, wie auch die erst später zur Eidgenossenschaft gestossenen Neuenburg und Wallis. Die genannten Zugänge zu den Archivalien der verschiedenen Kantonsarchive sind eine bequeme Hilfe für künftige Forschende. Ott zeigt auch, dass sich in schweizerischen Archiven auch für dieses Thema noch neue Quellen finden lassen.

Den wirtschaftlichen Beziehungen lag natürlich stets die Raumorganisation zugrunde. Damit meint der Autor die Ausgestaltung der Staatlichkeit, angefangen mit der Grenzziehung und weitergeführt mit den Institutionen, die diese wirtschaftlichen Beziehungen wahrnahmen (z.B. eine Salzkammer). Die Arbeit stellt hier neue Aspekte dar, die sonst, jedenfalls in der schweizerischen Forschung, nur summarisch und nur mit Blick auf Quantitäten und Preise präsentiert werden.

Überlagert wurde dieses politische Umfeld von der räumlichen Verteilung der Salzvorkommen. Während Bayern eine herausragende Stellung als Produzent einnahm, waren die Eidgenossen bis ins zweite Drittel des 19. Jahrhunderts ohne wesentliche eigene Salzförderung und also auf Einfuhren angewiesen. Der hier abgesteckte Hand lungsraum war in der Frage der Versorgung mit Salz von grossen Disparitäten geprägt und bot sich der Forschung nachgerade an. Zudem fehlte es auch nicht an Konkurrenz zum bayerischen Salz aus den mitteldeutschen Staaten, Lothringen und der Freigrafschaft Burgund sowie aus Österreich.

Im Kapitel II (Topographie des Salzes in der Mitte Europas) wird diese Situation übersichtlich beschrieben. Der Eidgenossenschaft, im Buch beinahe durchwegs als Schweiz bezeichnet, wird hierbei deutlich mehr Raum eingeräumt als dem benachbarten süddeutschen Raum. Begründet ist dieser Akzent mit der dezentralen Organisation der Eidgenossenschaft und der starken Abhängigkeit derselben von Salz aus dem Ausland. Die schwäbischen Gebiete hatten auch eigenes Salz, z.B. aus Schwäbisch Hall. Die zwar nicht unbestrittenen Zahlen von Gern (zitiert in Ott, S. 119) illustrieren den Salzhandel der Eidgenossenschaft im Jahr 1737. Wurden in der Franche- Comté in diesem Jahr ca. 10 000 Fass Salz bezogen, waren es in Bayern und Tirol ca. 12 000 Fass, in Savoyen ca. 4000 Fass, in Lothringen ca. 2800 Fass sowie in Bex in der damaligen bernischen Waadt ca. 4000 Fass.

Der rege Salzhandel mit der Schweiz wird bei Ott nicht allein mit ein paar Zahlen rund um die Einfuhr- und Verbrauchsmengen dargestellt, sondern mit Blick auf die Landwirtschaft, die Demografie und die wirtschaftliche Entwicklung rund um die Protoindustrialisierung. Hier wird der (erfolgreiche) Versuch gewagt, den zunehmenden Verbrauch im 18. Jahrhundert plausibel zu erklären. Und über allem schwebt immer die Frage nach dem diplomatischen Überbau der Handelsbeziehungen, der Economic Diplomacy (S. 199). Diese zwischenstaatliche Kommunikation wird im langen Kapitel III (Der Salzhandel zwischen Bayern und der Schweiz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Zwischenstaatliche Kommunikation und Raumorganisation) ausgebreitet. Sie bleibt dabei aber nicht in den Amtsstuben stecken, sondern bezieht auch persönliche Ebenen und unternehmerische Aspekte mit ein, etwa Personen oder Institutionen wie den bayerischen Beamten und Salinenoberkommissar Johann Sebastian Clais oder die bernische Salzdirektion unter Johannes Jenner, aber auch andere Akteure aus Fleisch und Blut, die die Geschicke der Zeit mitbestimmt haben.

Die Geschichte des Salzhandels vor 1800 erhält im Kapitel IV (Salzhandel in der Umbruchzeit) eine Fortsetzung bis zu Napoleons Niederlage und zum Wiener Kongress. Hier werden das Krisenmanagement (S. 496) dieser Jahre und die Neuorientierung dargestellt, die in den Reformen der bayerischen Administration durch den Kurfürsten Max IV. Joseph bestand, aber etwas später auch in den Erfolgen bei der Suche nach Salz durch den deutschen Salinisten Johann Georg Glenck am linken Rheinufer bei Basel. Letzterer machte die Eidgenossen nach 1836 unabhängig von bayerischem und anderem ausländischem Salz.

Die an der Geschichte des Salzes in der Schweiz Interessierten erhalten mit Martin Otts Salzhandel in der Mitte Europas eine dichte und praktisch die ganze Eidgenossenschaft abdeckende Darstellung der Verhältnisse zwischen 1750 und 1815, wie sie nie zuvor geschrieben wurde. Der Fokus liegt nicht so stark auf der bayerischen Seite, wie man glauben könnte, weil doch Bayern vermeintlich der stärkere Teil war und Ott in München lehrt und forscht und die Publikation in der Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte erschien. Die Publikation ist ein Kronjuwel für die Salzforscher im mitteleuropäischen Raum in Bezug auf Recherche nach Quellen und Literatur, Umfang, Detailreichtum und modernen Fragestellungen.

Zitierweise:
Walter Thut: Rezension zu: Ott, Martin: Salzhandel in der Mitte Europas. Raumorganisation und wirtschaftliche Aussenbeziehungen zwischen Bayern, Schwaben und der Schweiz, 1750–1815. München: C.H. Beck 2013. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 2, 2016, S. 63-65.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 78 Nr. 2, 2016, S. 63-65.

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